Locker lassen: Wenn man nicht kriegt, was man will

Kennst du das, wenn du etwas unbedingt willst? Wenn du alles daran setzen würdest, es zu bekommen? Einen bestimmten Job? Die Traumwohnung / das Traumhaus, eine Beziehung? Ich kenne das gut. Und ich habe leider schon oft erlebt, dass es genau dann, wenn man etwas unbedingt will, nicht klappt. Was passiert mit uns, wenn wir etwas so sehr – zu sehr – haben wollen? Wenn wir total verbissen an einer Sache arbeiten und nicht loslassen möchten? Was macht diese Verbissenheit mit uns?

Diese Frage habe ich mir in letzter Zeit oft gestellt und folgende Gedanken dazu gehabt: Ich glaube zunächst bringt mich Verbissenheit immer ein Stück weit von mir selber weg. Wenn ich verbissen an eine Sache herangehe, dann ja, weil ich glaube, ohne diese Sache nicht glücklich sein zu können. Damit gebe ich dem, was ich da gerade so sehr will, unheimlich viel Macht über mich. Und ich schließe mein persönliches Glück in etwas ein, dass zum einen weit von mir entfernt ist und zum anderen nicht in meiner Kontrolle liegt. Ich mache mein Glück, meinen Gemütszustand, meine Gedanken, davon abhängig, ob ich etwas bekomme oder nicht. Und dann bin ich vielleicht auch bereit, mich für das, was ich da gerade gerne hätte, zu verstellen. Ich glaube ja, dass ich darin mein Glück finden werde. Also mache ich auch gerne Kompromisse, es zu bekommen.

Mit diesem Verhalten entferne ich mich extrem von mir selber und von dem, was ich vielleicht eigentlich möchte. Und aus diesem Grund komme ich der Sache nicht näher. Weil ich mit solch einer Distanz zu mir selber gar nicht funktionieren kann. Nicht mein Bestes geben kann. Oder, wie man heute oft hört: Nicht im „flow“ sein kann. Nicht man selbst sein kann. Und wer nicht bei sich selber ist, der wird auch von anderen nicht positiv wahrgenommen. Ich fürchte mir sieht man meine Verbissenheit in bestimmten Situationen auch an. Da ist das Gesicht angespannt, das Lächeln gezwungen oder übetrieben, die Haltung nervös. Und das, was an Sätzen aus mir heraussprudelt, ist so weit von meinem eigenen Wesen entfernt, dass es gar nicht echt wirken kann. Dass es einfach nur aufgesetzt und künstlich wirkt.

Ich finde es furchtbar, wenn ich verbissen bin. Diese innere Getriebenheit und Unentspanntheit etwas zu wollen, das man einfach nicht kriegt. Zumindest bin ich schon mal an dem Punkt, an dem ich Verbissenheit bei mir selber feststellen kann. Jetzt geht es ans „locker lassen“.

Dafür einmal das Gegenbeispiel, das ich glücklicherweise auch schon erlebt habe. Nämlich etwas Wunderbares ganz unerwartet zu bekommen. Etwas, das ich nicht erwartet, wonach ich gar nicht gesucht hatte. Aus solch einer Situation heraus habe ich Lukas kennen gelernt. Ich war gerade in den letzten Zügen meines nebenberuflichen Masterstudiums, habe „nebenbei“ Vollzeit gearbeitet und mir wäre nie in den Sinn gekommen, dass mir gerade eine Beziehung fehlte. Der Gedanke im Kopf klang viel mehr so „Ach, wenn du dein Studium hinter dir hast, kannst du ja vielleicht nochmal mehr ausgehen und vielleicht jemanden kennen lernen. Zur Not eine Dating-App ausprobieren.“ Also ganz ungezwungen, ohne Stress, ohne Erwartungen.

Umso schöner war natürlich, als ich dann ganz unerwartet und wirklich ohne Mühe, ohne Suchen, ohne Ausgehen, ohne App, Lukas kennen gelernt habe. Und der passte dann genau so natürlich und selbstverständlich in mein Leben, als hätte es nie anders sein sollen. Die wichtigste Zutat: Gelassenheit. Zuversicht, das kommt, was kommen soll. An dem Zeitpunkt, an dem man es am wenigsten erwartet. Leider habe ich diese Gelassenheit nicht in allen Lebensbereichen. Und ich fürchte es ist auch nicht so einfach, sie zu erlangen, wenn man einmal verbissen ist. 

Dinge, bei denen ich oft verbissen bin, sind neue Jobs und Projekte. Und auch da habe ich ein tolles Beispiel. Im Rahmen meines Bachelorstudiums war ein obligatorisches Auslandssemester vorgesehen. Für mich war schnell klar, dass ich kein Erasmus-Semester in Südspanien machen wollte. Ich hatte mir die perfekte Position rausgesucht: Ein Praktikum bei Engel & Völkers in Kalifornien. Genauer gesagt, Newport Beach. Genau, das von OC California. Nach langer Internetrecherche hatte ich herausgefunden, dass dort regelmäßig Praktika an europäische Studenten vergeben werden. Es kam auch soweit, dass ich ein Vorstellungsgespräch via Skype hatte. Ein aus meiner Sicht tolles Gespräch, zu dem ich voll aufgebrezelt zuhause vor dem Laptop saß und aus meiner Sicht freundlich und aufgeschlossen darlegte, warum ich das Praktikum so gerne hätte und warum ich die richtige dafür bin. Ich nickte viel, lächelte die ganze Zeit und stimmte allem zu. Und ich bekam eine Absage. 

Für gewöhnlich hört man dann, dass es viele gute Bewerber gab, man sich entscheiden musste, usw. Ich kam jedoch zu der Gelegenheit, am Ende doch noch zu erfahren, warum ich bei diesem Skype Interview nicht so gut rüber kam, als ich dachte. Ein paar Wochen später bekam ich nämlich die erfreuliche Nachricht, dass der Praktikumsplatz doch wieder frei war und so durfte ich am Ende ein Wahnsinns-Semester bei Engel & Völkers in Newport Beach verbringen. Meine damalige Interviewerin steckte mir einmal ganz beiläufig, dass ich im Interview total verbissen rüber kam. Eben weil ich die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen hatte, weil ich zu allem Ja und Amen gesagt habe und nicht eine kritische Frage gestellt hatte. Das kam einfach nicht echt rüber. Und aus heutiger Sicht verstehe ich das sehr, sehr gut. 

Und doch tappe ich hier und da in diese Falle rein. Wenn ich wieder einen Job so sehr will. Eine neue Wohnung. Ein Projekt. Dann lege ich mein ganzes Glück in diese eine Option, distanziere mich von mir selber und lächle dann von einem Ohr bis zum anderen und höre mich die ganze Zeit „ja“ sagen. Ich fürchte so hätte das mit dem Dating auch nicht geklappt.

Ich möchte diese Verbissenheit dringend loswerden. Und befinde mich wie bei vielen anderen Dingen auch hier noch ganz am Anfang. Trotzdem habe ich mir schon mal ein paar Gedanken und Tipps zusammen gelegt, die vielleicht auch dir auf dem Weg aus der Verbissenheit helfen können:

  • Mach dein Glück nicht abhängig von einem Job, einer Wohnung, einer Beziehung. Sieh zu, dass es dir gut geht und du Freude an dem hast, was du tust – dann kommen die richtigen Jobs, die passende Wohnung, die richtigen Beziehungen (Privat-Beruflich-Freundschaftlich-Romantisch) von ganz alleine – mühelos – und: wenn man sie nicht erwartet.
  • Hör auf, immer nur „ja“ zu sagen und zu grinsen. Am besten hänge ich mir irgendwo ein Bild von den drei Pinguinen aus Madagaskar auf, die ständig lächeln und winken. Die können mich dann daran erinnern, wie ich nicht sein möchte.
Der links bin ich auf Vorstellungsgesprächen. 😀
  • Kenne deinen Kontrollbereich. Viele Dinge im Leben liegen nicht in unserer Hand. Ich habe kürzlich einen Blogartikel über Risikobereitschaft geschrieben, bei dem ich diesen Kontrollbereich illustriert habe. Wenn du also merkst, dass du dein Glück in etwas suchst, dass außerhalb deiner Kontrolle liegt, dann finde wieder zu dir zurück und tu einfach mal etwas, das du kontrollieren kannst. Mach dir einen schönen Abend, verabrede dich mit Menschen, die dir gut tun, geh zum Sport, plane eine Reise, schau nochmal alle Harry Potter-Filme – whatever works for you. 

Bonustipp für mich persönlich und für alle, die sich damit vielleicht auch ertappen: Hör auf, nur noch von diesem einen Frust-Thema zu sprechen. Wenn mich ein Thema so sehr beschäftigt, dann findet es einen Weg in alle Gespräche, die ich führe. Und ich höre mich nur noch jammern und klagen. Für mich gibt es zwei Möglichkeiten, damit umzugehen, die ich in Zukunft ausprobieren möchte:

  1. Entweder, solche Frust-Themen ganz aus meinen Gesprächen zu verbannen, oder einfach deutlich weniger über sie zu sprechen und ihnen somit weniger Bedeutung zu geben.
  2. Dem Frust-Thema einen positiven Umhang geben. Sprich, nicht mehr negativ über das Thema zu sprechen, sondern positiv. Zum Beispiel so: „Es ist gerade super schwer, eine Wohnung zu finden. Aber ich bin mir sicher, die richtige Wohnung wird kommen und dann freue ich mich im Nachhinein, dass es mit den anderen nicht geklappt hat.“

Ich glaube fest daran, dass wir mit dem, was wir sagen und denken eine ganze Menge unterbewusst steuern können. Vielleicht ist es am Anfang noch ein positiver Umhang und eine „gefakte“ Positivität, aber irgendwann kommt die Positivität bestimmt auch von innen heraus. Ganz nach dem Motto: „Fake it till you make it.“

Und wenn uns die Verbissenheit mal wieder ins Gesicht geschrieben steht: Gesichtszüge entspannen, Körper lockern, ruhig atmen und kommen lassen, was kommen soll. 

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