Think Big: Weil ich noch nie anders konnte

Mein Onkel sagt gestern wie heute in Direkt-Siegerländer-Manier ganz liebevoll über mich: „Die Hannah ist ‘nem Grafen aus dem Arsch gefallen.“ Was meint er damit? Dass ich immer von allem das Schönste und Beste haben muss – meistens auch das Teuerste. Anders als diese heimische Redensart vermuten mag, bin ich nicht adeliger Abstammung. Ich bin mit allem was ich brauchte (und so viel mehr) aufgewachsen, aber reich sind wir nicht. Was ich habe, ist eine Angewohnheit, vielleicht auch Veranlagung, groß zu denken. Ich träume viel. Ich denke viel in Bildern. Und ich habe damit bisher (fast) nur gute Erfahrungen gemacht. Nämlich die, dass man vieles erreichen kann, dass außer Reichweite liegt – wenn man bereit ist, dafür hart zu arbeiten. Neben „think big, dream big“ gibt es nämlich bei mir noch eine Devise: Die extra Meile.

Die bin ich zum Beispiel gegangen, als ich für mein Bachelorstudium in Köln weiterhin in Siegen gewohnt habe, und so oft morgens um 5:00 Uhr schon am Bahngleis stand um die 8:00-Uhr-Vorlesung zu schaffen. Am Wochenende wurde gekellnert. Oder das nebenberufliche Masterstudium, das ich neben meinem Vollzeit Job abends unter der Woche und samstags absolviert habe. Zuletzt: Der Umzug nach Bremen für einen Job im E-Commerce und Digital Marketing. Ich bin also nicht ganz die verwöhnte End-Zwanzigerin, die der erste Satz vermuten lässt. Große Träume: ja. Aber auch: Kompromissbereitschaft, Disziplin, Durchhaltevermögen. 

Ich merke es im ganzen Körper, wenn eine Idee gut und richtig ist. Das ist wie eine Welle die durch den Körper geht, es kribbelt im Bauch und es formt sich automatisch ein Lächeln auf den Lippen. Woran ich aber am besten erkenne, dass ich eine große Idee auch weiter verfolgen sollte, ist die Reaktion meines Gegenübers – ob Freunde, Bekannte, die Familie. Wenn etwas so ein bisschen belächelt wird. „Aber Hannah, bist du dir sicher? Meinst du nicht du müsstest erst mal …? Hast du auch daran gedacht, was ist wenn …. Kannst du dir das überhaupt leisten?“

Die Antwort auf alle diese Fragen lautet in der Regel: Nein. Und schon schlägt mein innerer Traumhampel Luftsprünge und es fängt an zu kribbeln. Vielleicht ist es die Herausforderung, das Ego, dass mir Energie gibt und mir zuspricht: „Du solltest es auf jeden Fall versuchen.“ Viel mehr ist es aber das Verlangen, nicht in gewohnten Konventionen zu denken. Nicht alles wie die anderen zu machen. Risiken einzugehen. Auf mein Gefühl zu vertrauen.

Mittlerweile hat mir die Erfahrung gezeigt, was möglich ist. Die aus diesem wohligen Kribbeln einen wunderbaren Präzedenzfall geschaffen hat, der mich nun jedes Mal aufhorchen lässt, wenn ich dieses Gefühl wieder habe. „Nach dem Abi als AuPair in die USA und anschließend Studium in Köln“ war zum Beispiel so ein Vorhaben, dass ich selbst nicht ganz geglaubt habe, als ich es in die Abizeitung geschrieben habe. Und es ist doch passiert. Ein Praktikum bei Engel & Völkers in Newport Beach „bei den Cohens“ war auch etwas, von dem ich bis heute nicht glaube, dass es wirklich passiert ist. Ein Job in einem großen FMCG Unternehmen. Check.  

Die Think-Big-Denkweise ist allerdings nicht immer förderlich. Sie passt nicht überall rein. Sie eckt an. Und manchmal funktioniert sie auch nicht. An manchen Tagen fühlt es sich an als ständen alle Türen und Fester weit offen und die Sonne strahlt herein. An anderen Tagen fliegen sie alle nacheinander zu und der Regen prasselt gegen die Scheiben. In mir schnürt sich alles zusammen, wenn ich mich so eingeschlossen und limitiert fühle. Wenn ich merke: Ich bin vielleicht doch zu naiv. Vielleicht muss ich kleinere Brötchen backen. Erst mal langsam machen. Geld zurücklegen und sparen. Dann ist vielleicht die Enttäuschung auch nicht zu groß, wenn etwas nicht klappt. 

Dabei gibt es ein Problem: Ich bin nicht der Typ für kleine Brötchen. 

Dabei möchte ich weder übermütig, noch arrogant oder überheblich klingen, aber das bin ich einfach nicht. Sich das einzugestehen und zu akzeptieren, ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Und es fühlt sich unheimlich befreiend an, auch darüber zu schreiben. Es gibt solche und solche im Leben. Jeder kann so sein, wie er ist. Und es ist genug für alle da.

Ich habe ja schon das ein oder andere mal über das Coaching geschrieben, dass ich mache. Was ich daraus für mich bisher mitgenommen habe: Man muss bei sich selber sein. Für sich einstehen. Sich selbst annehmen, so wie man ist. Und woran merkt man, dass man bei sich selbst ist? Am Kribbeln. Am wohlig-warmen Gefühl im Bauch. An den weit offenen Fenstern und Türen. 

Und wenn die einmal offen sind, dann passieren wunderbare Dinge. Dinge, für die es sich wirklich lohnt.

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