Ich wette du hast dich in diesem Jahr schon mit dem Thema Meditation beschäftigt. Da kommt ja eigentlich niemand drum herum. Meditation ist heute die Antwort auf Stress bei der Arbeit, Unzufriedenheit oder Getriebenheit. Kurzum: Meditation ist eigentlich für jeden gut. Und nur die wenigsten werden wohl von sich behaupten, dass sie schon bestens geübt sind in Achtsamkeit, Dankbarkeit oder Selbstwirksamkeit. Grundsätzlich glauben wir schon, dass uns regelmäßige Meditationsübungen weiterhelfen würden. Wir wollen es zumindest mal ausprobieren. Dafür braucht man ja auch nicht viel. Einfach hinsetzen, Augen zu und atmen. Hast du bestimmt schon gemacht. Oder etwa nicht?
Meditations-App für Anfänger wie mich
Vielleicht hast du auch schon eine der vielen Apps heruntergeladen, mit denen der Einstieg in die Meditationspraxis eigentlich ganz leicht gemacht wird. Eigentlich? Doch, wirklich. Ich nutze seit Beginn des Jahres die Calm App, die mit ihren Daily-Meditations 10-Minütige geführte Meditationen anbietet, die wirklich gut sind. Meine Resonanz bisher in diesem Jahr: 19 Stunden Meditationszeit verteilt auf 109 Sessions. Das hört sich ja erstmal gut an. Mein größtes Problem dabei: ins „Jetzt“ zu kommen. Die Gedanken vorbeiziehen zu lassen und sich auf die Atmung zu konzentrieren. Nicht an die Arbeit zu denken, an die to do’s für den Tag oder anstehende Gespräche gedanklich zu simulieren, die nie so stattfinden werden. (Macht das noch jemand außer mir?)
Meditation ohne an etwas zu denken
Es fällt mir also schwer, einfach mal an nichts zu denken und einen Atemzug nach dem anderen bewusst zu erleben. Wo genau das aber gut klappt, ist beim Bergwandern. Das habe ich herausgefunden, als ich dieses Frühjahr mit Lukas ein langes Wochenende in Garmisch-Partenkirchen verbracht habe.
Erste Erkenntnis: Bergwandern ist nichts für Anfänger
Ein solcher Kurzurlaub wäre mir noch vor wenigen Jahren gar nicht erst in den Sinn gekommen. Weil Wandern in Süddeutschland kann man ja immer noch, wenn man in Rente geht. Pustekuchen. Nach den ersten zwanzig Minuten des Anstiegs merkt man schon, wie sich regelmäßiges Joggen, Crossfit oder Les Mills auf die Ausdauer am Berg auszahlen: nämlich gar nicht. Bei der Mittelstation angekommen ist klar, hier braucht man eine ganz andere Ausdauer als beim Joggen am Rhein. Die ersten erprobten Wanderer mit Trinkrucksack und Wanderstöcken ziehen vorbei. Die „Locals“ machen das halt jeden Samstag, rede ich mir gut zu.
Und es bleibt knackig. Die Worte werden weniger. Und irgendwann fällt auf, dass man seit einer guten halben Stunde ohne Worte hintereinander her Stufe um Stufe erklimmt und dabei was tut? Genau. Atmen. Sich konzentriert auf den nächsten Schritt und dann den übernächsten, weil die Hänge steiler werden und man sich überlegen muss, wo man hintritt. Und Zack. Ist man im „Jetzt“.
Beim Blick ins Tal wird alles in Perspektive gesetzt
Hin und wieder lichtet sich der Wald und beim Blick ins Tal schweifen die Gedanken ab. Aber die werden schnell in Perspektive gesetzt, weil einem alles etwas weiter weg vorkommt. Irgendwie kleiner, nicht mehr so bedeutend. Es folgt die nächste Etappe und man ist wieder zurück beim Atmen. Bei unserer Wanderung auf den Wank (1780m) kommt man da auf ca. zwei Stunden meditatives Atmen. Klar kann man das nicht mit einer Zwei-Stunden-Meditation gleichsetzen, aber man übt sich dabei im „Jetzt“.
Das „Jetzt“ ist das Ziel
Am Gipfelkreuz angekommen setzt ziemlich schnell der Alltags-Modus ein. Man postet die ersten Bilder auf Instagram, schickt ein Foto vom Kaiserschmarren in die Familien-What’s-App-Gruppe und ärgert sich über den Andrang von Menschen, die mit Flip-Flops aus der Gondel steigen um auch ein Gipfelkreuz-Foto zu posten. Die haben dann allerdings das Beste verpasst. Und zwar das „Hier und Jetzt“ des meditativen Bergwanderns.
Du hast vielleicht nicht die Alpen in der Nähe, aber bestimmt einen nicht minder fordernden Wanderweg, den du dir an einem freien Tag oder am Wochenende mal vornehmen kannst. Ich war zum Beispiel als mittlerweile Teilzeit-Kölnerin noch nie im Siebengebirge. Daher kommt das nun ganz dringend auf die Liste von Dingen, die mir Kraft und Energie geben und mich ins Jetzt bringen.
Und je öfter es im Alltag klappt mit dem „Jetzt“, desto besser.
Aber auch hier wieder: einen Schritt nach dem anderen.