Vergangenes Wochenende hatte ich einen dieser Momente. Wo man zur richtigen Zeit am richtigen Ort eine Nachricht bekommt, die irgendwie passt. Genau in dem Moment, in der Situation, wo man es am meisten braucht.
Wir verbrachten eine Nacht in Koblenz um den Junggesellinnenabschied einer lieben Freundin zu feiern. Das Wochenende wurde mit einem ausgiebigen Brunch beendet und als es gerade wieder in die Heimat gehen sollte und zurück in den Alltag, der für mich letzte Woche gar nicht so rosig war, stoppte mich im Schaufenster auf der anderen Straßenseite eine rosa-weiß gestreifte Tasche mit dem Aufdruck „Du bist eine der Guten.“ Und obwohl diese Art Mädchen-Artikel mit verspielter Schrift und goldenem Krönchen für gewöhnlich „nicht so meins“ ist, hat mich diese Botschaft sofort gestoppt und nochmal zurückgehen lassen, um zumindest ein Foto zu machen. Nur für mich. Weil ich irgendwie dachte, es passt. Und weil ich wusste, Hannah, diesen Satz musst du verinnerlichen.
Erst als ich das Foto abends nochmal beim Durchscrollen meiner Handybilder bemerkte, überlegte ich, darüber auch zu schreiben. Weil darüber zu schreiben für mich auch immer eine Art Ergründen und Erarbeiten ist. Eine offene Frage, die ich versuche, mir selbst zu beantworten. In diesem Fall die folgende: Was bedeutet es eigentlich „eine der Guten“ zu sein?
Bedeutet das, irgendetwas richtig gut zu können? Die beste zu sein? Zu denen zu gehören, die erfolgreich sind – was auch immer erfolgreich bedeutet? Ein guter Mensch zu sein, anderen zu helfen, selbstlos zu agieren und nicht nur an sich selbst zu denken? All diese Möglichkeiten und Fragen jagten mir durch den Kopf und dabei stellte ich fest, dass ich bislang gar keine genaue Definition für mich aufgestellt hatte, was es bedeutet, „eine der Guten“ zu sein. Für mich gibt es eigentlich bis dato gar kein „gut“. Wenn ich ehrlich bin, gibt es nur „schneller, höher, weiter“. Und dabei hat „gut“ noch nie gereicht.
Dieser Spruch hat mich gerade jetzt so kalt erwischt, da er zu einem Zeitpunkt kommt, in dem ich in meinem eigenen Empfinden nicht „gut“ bin, nicht erfolgreich, nein, sogar irgendwie eine Verliererin. Solche Tage oder Wochen hat man schon mal. Da geht eine Tür nicht auf, von der man dachte, sie sei die richtige. Da tritt man auf der Stelle oder hängt immer wieder in derselben Schleife. Und da kann es passieren, dass man vergisst, die Situation in der man steckt, in Perspektive zu setzen.
Aus diesem Grund war dieser Moment für mich so wertvoll. Weil er mich dazu gebracht hat zu überdenken, welche Erwartungen ich an mich selber stelle. Und mich daran erinnert, dass ich im Inneren weiß, dass ich eine der Guten bin. Eine derjenigen, die sich viel Mühe geben, gut zu sein und besser zu werden, eine derjenigen, die grundsätzlich positiv denken und andere Menschen mit dieser Denkweise auch anstecken und motivieren können. Eine von denen, die nicht aufgeben und sich nicht entmutigen lassen. Eine, die für andere da ist, wenn es darauf ankommt.
Du bist eine der Guten, sagt weder „du musst die Beste sein“, noch suggeriert es, dass es „nur eine Gute geben kann“. Diese Bestätigung darf nicht von außen, sondern muss von Innen kommen. Darf nicht davon abhängen, ob ich heute gewinne oder verliere, ob ich gerade erfolgreich bin oder einen Schritt zurückmache. „Gut sein“, ist wohl vielmehr ein inneres Gefühl, das eine gewisse Grund-Sicherheit und ein solides Fundament gibt. Ein Gefühl, dass die Last von den Schultern nimmt und die eigene Erwartung entkräftet, dass ich erst „gut“ bin, wenn ich alles erreiche und immer gewinne. In diesem Zusammenhang hat die Süddeutsche Zeitung gerade auch am Sonntag ein tolles Zitat auf Instagram gepostet:
„Am Ziel deiner Wünsche wirst du jedenfalls eines vermissen: dein Wandern zum Ziel.“
Marie von Ebner-Eschenbach
Ich habe schon oft erlebt, dass der Zieleinlauf bei weitem nicht so schön ist, wie man ihn sich vorher ausmalt. Ob nun beim Abitur, dem Masterabschluss oder dem ersten Tag eines neuen Jobs. In diesen Momenten habe ich doch noch immer weniger Erleichterung gespürt, als dass ich schon an den nächsten Meilenstein gedacht habe. Und bevor ich das jetzt ein Leben lang so weiter mache, ist es vielleicht doch besser, diese Lektion jetzt in Angriff zu nehmen, oder zumindest damit anzufangen, mir dieses Fundament von „ich bin eine der Guten“ innerlich aufzubauen.
Dann fällt man vielleicht auch nicht ganz so tief wenn sich im Leben eine Türe schließt oder eine nicht aufgeht. Und man muss nicht so oft „das Krönchen richten und weitergehen“, denn niedlicher Mädchen-Kram hin oder her: Der Spruch mit der Krone hat noch nie geholfen.