#adoptdontshop: Eine besondere Aufgabe

Was irgendwann mal mit einem fancy Hashtag angefangen hat, ist dieses Jahr bei uns zur Realität geworden. Wir haben eine Hündin adoptiert. Wie bewusst oder unbewusst die Entscheidung gegen einen Hund vom Züchter und für einen Hund aus dem Tierheim oder einer Tierschutzorganisation gefallen ist, fällt mir schwer zu sagen. Immerhin hatte auch ich für meinen zukünftigen Hund immer einen Golden Retriever Welpen vom Züchter vor Augen. Trotzdem stieg seit Anfang des Jahres  – auch durch Plattformen wie Instagram – mein Bewusstsein für Tierschutzorganisationen und die Adoption von Straßenhunden und so hatte ich Leia eines Abends sprichwörtlich vor der Nase. Und es gab kein Zurück. 

Mit diesem Blogpost möchte ich gar nicht so sehr die vorwurfsvolle Komponente der #adoptdontshop-Bewegung gegenüber dem Kauf eines Rassehundes untermalen. Vielmehr möchte ich die positiven Seiten einer Hundeadoption hervorheben. Worauf man sich persönlich einlässt, wenn man die Entscheidung dazu trifft. Und warum die Adoption eines Straßenhundes eine besondere Aufgabe ist, an der man unheimlich wachsen kann – und was man dabei lernen kann. 

1. Über den eigenen Tellerrand schauen

Einem Straßenhund ein Zuhause zu geben bedeutet in vielen Fällen, ihm das Leben zu retten. Obwohl es schon einige helfende Organisationen in Ländern wie Rumänien oder Griechenland gibt, die Straßenhunde aufnehmen, aufpeppeln und vermitteln, so gibt es immer noch unzählige Tiere, die auf der Straße sterben. Weil sie nicht genügend Futter finden. Weil sie nicht versorgt werden. Und weil der Tierschutz in solchen Ländern mit dem in Deutschland nicht zu vergleichen ist. Sprich: einen Hund zu adoptieren ist eine gute Tat. Sie macht das (Über)Leben dieses Hundes möglich und lebenswert. Und wenn wir die Landesgrenzen einmal überwinden und uns nicht von Problemen anderer Länder abgrenzen, dann handelt es sich am Ende um ein Lebewesen, dass es sich lohnt zu retten.

Ich habe anlässlich meines 29. Geburtstages neulich die Meilensteine und Errungenschaften meiner Zwanziger reflektiert. Erfahrungen die ich gemacht habe, Ziele die ich „erreicht“ habe. Das einzige auf der Liste, womit ich nicht nur mein eigenes Leben verbessert und bereichert habe, sondern auch die Welt ein Stückchen besser gemacht habe, ist die Adoption von Leia. Das macht mich zum einen stolz, und zeigt mir wie gut es sich anfühlen kann, für diese wundervolle Fellnase einen Unterschied gemacht zu haben. Und zwar einen großen.

2. Verantwortung übernehmen

Einen Hund zu adoptieren ist gar nicht so einfach wie man sich das vorstellt. Obgleich man sich vorab viele Gedanken darüber macht, ob (und welcher) Hund mit dem eigenen Leben vereinbar wäre, so gibt es bei der Adoption die ein oder andere Hürde, die man vielleicht nicht erwartet hätte. So hat uns die Tierschutzorganisation, über die wir Leia kennen gelernt haben, auch Zuhause besucht und interviewt, bevor wir das Ok bekommen haben, sie zu adoptieren. Im Nachhinein macht das unheimlich viel Sinn. Denn je nachdem, welche Erfahrungen ein Hund gemacht hat und welche besonderen Bedürfnisse er mitbringt, kommt nicht jeder für eine Adoption in Frage. Oftmals gilt als Anforderung für die Adoption eines Straßenhundes, bereits Erfahrung mit der Erziehung von Hunden gemacht zu haben oder dem Tier genügend Auslauf und einen Außenbereich bieten zu können.

Die Anforderung für Leia war ein ruhiges Umfeld, damit sich ihr Immunsystem wieder richtig erholen konnte. Aus diesem Grund hatten wir einen Vorteil gegenüber den Familien, die sich auf das Inserat gemeldet hatten. Andere Hunde wiederrum profitieren davon, in einen Haushalt mit Kindern aufgenommen zu werden. So gibt es unterschiedliche Bedürfnisse und verschiedene Menschen, die diese erfüllen können. Mich freut es, einer diese Hündinnen genau das geben zu können, was sie braucht. Ich bin an der Verantwortung gewachsen, die ich für dieses Tier übernommen habe. Ich weiß genau, wo mich diese Verantwortung einschränkt und wo sie mir Energie gibt. Vor allem aber bin ich dankbar, dass uns diese besondere Aufgabe übertragen und zugetraut wurde. In gewisser Weise haben wir uns durch die genannten Hürden für Leia qualifiziert, und geben jetzt jeden Tag unser Bestes, dem nachzukommen und für sie das Zuhause zu sein, dass sie verdient.

3. Angst bewältigen

Wenn man anfängt, sich mit dem Thema Straßenhunde zu beschäftigen, ist eines von Anfang an klar: Sie alle haben die Erfahrung gemacht, dass im Leben Vorsicht geboten ist. Sie sind voreingenommen. Haben Angst. Sind weit entfernt von der Unbefangenheit, die wir von jungen Rassewelpen kennen. Mittlerweile kann ich Hunde aus dem Tierschutz im Park alleine durch ihr Verhalten von anderen Hunden unterscheiden. Sie ziehen schneller den Schwanz ein, sind zurückhaltender, gehen am liebsten nah an der Wand entlang. So war auch Leia am Anfang in der neuen Umgebung sehr vorsichtig und unsicher. Noch immer sehe ich ihr in manchen Situationen die Angst am ganzen Körper an. Das muss man annehmen, wenn man einen Hund von der Straße adoptiert. Es gehört dazu. Und wird wohl auch nie ganz weggehen.

Umso beeindruckender ist die Entwicklung, die sie seither durchlaufen hat. Wie sie mit der Angst umgeht. Je öfter wir uns zusammen mit ihr neuen Situationen und Umgebungen stellen, umso kleiner wird die Angst davor. Mit der Zeit rückt die Angst langsam in den Hintergrund und Leia ist in vielerlei Hinsicht fast nicht wieder zu erkennen. Wann immer ich sie in einer ruhigen Minute leise auf der Couch schnarchen höre, geht mir richtig das Herz auf. Ich freue mich darüber, wie entspannt sie mittlerweile ist, dass sie sich bei uns wohl und sicher fühlt und das wir beide etwas über Angst gelernt haben: Sie geht weg, wenn man sich ihr stellt. Und zusammen ist es halb so schlimm.

4. Liebe ausdrücken

Hunde sind treue Tiere. Anders als bei Katzen muss man sich deren Zuneigung nicht täglich erarbeiten. Hat man einmal das Vertrauen gewonnen, bleibt das auch so. Auf deren Zuneigung kann man sich verlassen. Sie sind nicht ärgerlich. Nicht nachtragend. Sie freuen sich immer wenn man durch die Tür kommt. Das ist der große Vorteil, der uns in den zwischenmenschlichen Beziehungen manchmal fehlt.

Auch Leia wartet brav unten an der Treppe, an der Haustüre, oder auch vor der Badezimmertüre, und führt jedes Mal einen kleinen Tanz auf, wenn wir wieder kommen. Besser kann man nicht ausdrücken: „Hey, ich freu mich dass du wieder da bist.“ Das ich das nicht genauso mache wenn Lukas von der Arbeit kommt, ist klar. Dass wir uns aber einiges in Sachen „Liebe und Zuneigung übermitteln“ von Leia abschauen können, auch. Anstatt alles indirekt und implizit zu kommunizieren, könnten auch wir anfangen, uns besser auszudrücken und unsere Körpersprache für uns sprechen zu lassen. Das bedeutet: Lächeln, Offenheit ausstrahlen – und an besonders guten Tagen: tanzen.

5. Hingabe ans Leben

Die Adoption eines Hundes aus dem Tierschutz kann man nur bedingt planen. Wie schon beschrieben müssen dafür einige Faktoren stimmen. Ich glaube man muss irgendwann einfach grundsätzlich für ein Tier bereit sein und dann im richtigen Moment reagieren. Da es dann plötzlich schnell gehen kann,  ist nicht alles immer so gut vorbereitet, als wenn man Wochen im vorraus weiß, wann man einen Welpen vom Züchter abholen kann. So kam Leia zu uns, bevor wir sämtliches Zubehör besorgen konnten, die Wohnung 100% Hundesicher war oder wir genau wussten, welche Grünfläche sich eignet, wenn es mal schnell gehen muss. Das war bei weitem nicht so, wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Meine Komfortzone ist das Planen. Alles rechtzeitig fertig haben. Vorbereitet sein. Gedanklich einmal durchspielen bevor es dann soweit ist.

All das war in dieser Situation nicht möglich und hat mich erstmal geärgert. Aber es hat mir auch die Gelegenheit gegeben, mich über die Planbarkeit hinaus zu entwickeln und an der Situation zu wachsen. Ähnlich wie mit einem Kind ist im Zusammenleben mit einem Hund vieles nicht wirklich planbar und vorherzusehen. Mich hat sowohl die Adoption von Leia als auch das gemeinsame Zusammenleben immer wieder aus meiner Planungs-Komfortzone geholt und ein Stück weit gefordert, mich auf die neue Situation einzulassen. Mich dem was passiert hinzugeben. Auch mal loszulassen. Und zu erfahren, dass auch so alles irgendwie gut wird.

#adoptdontshop

Ob auf der Hundewiese oder im privaten Umfeld: Die Adoption eines Straßenhundes ist bei uns immer wieder Thema und ruft viele unterschiedliche Meinungen hervor. Von Menschen, die gerne einen Straßenhund aufgenommen hätten, es aber nicht konnten, bis hin zu Menschen, die meinen es gäbe auch in deutschen Tierheimen genügend Hunde, denen erst einmal geholfen werden sollte. Für mich und uns ganz persönlich ist Leia die beste Entscheidung, die wir im Zuge eines Hundewunsches hätten treffen können. Hier hat die Natur von ganz alleine ein Wesen geschaffen, dass aus meiner Sicht nicht besser hätte gezüchtet werden können. Das wir lieben und das uns liebt. Und das nicht mehr wegzudenken ist.

Und ich hoffe, dass wir damit auch noch mehr Menschen zur Hundeadoption inspirieren können.

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