Ich verbringe nun schon das zweite Jahr in Folge einen Teil der Weihnachtsfeiertage bei Lukas‘ Familie in Tschechien. Das habe ich zum Anlass genommen, einmal über unsere zweisprachige Beziehung zu schreiben. Über die anfänglichen Vorurteile gegenüber Tschechien. Über geschichtliche und geografische Erkenntnisse. Und über liebevolle Spitznamen. Und darüber, wie die Sprachbarrieren in einer zweisprachigen Beziehung die Kommunikation untereinander auch manchmal vereinfachen können.
Bis vor gut zwei Jahren habe ich offen gesprochen nicht viel über Tschechien nachgedacht. Für mich war das ein angrenzendes Land an Deutschland, von dem ich nie ganz sicher war ob es nun offiziell Tschechoslowakei oder Tschechien hieß. Ein Satz, zu dem Lukas heute nur die Augen verdrehen kann, da die Tschechische Republik und die Slowakei seit 1993 unabhängig voneinander sind.
Nun fahre ich an Weihnachten in ein Land, über dessen Kultur, Sprache und Landsleute ich in den vergangenen zwei Jahren genug gelernt habe um zu verstehen, wie wertvoll die Erfahrung ist, über den Tellerrand zu schauen. Entgegen aller Vorurteile die man fälschlicherweise über Osteuropa hat. Und da verdreht er schon wieder die Augen. Weil Tschechien objektiv auf der Karte betrachtet tatsächlich genau wie Deutschland im Zentrum Europas liegt und sich selbst auch gar nicht als osteuropäisch begreift. Und ich schäme mich innerlich, weil auch ich mich gedanklich und unbewusst von alten Grenzen und Stereotypen habe leiten lassen. Und weil ich immer wieder darüber staune, wie ähnlich sich Deutschland und Tschechien sind.
Hanička und Lukášek
Bereits im letzten Jahr war ich zu Weihnachten mit Lukas auf Familienbesuch in Tschechien. Und obwohl ich schon immer sehr sprachaffin war, konnte ich auf tschechisch bislang nur ein paar Sätze sagen und verstehen. Selbst das Tschechisch-Lehrbuch von Langenscheidt frustriert mich schon ab Kapitel zwei mit sieben verschiedenen Fällen. Leider hat die slawische Grammatik sehr wenige Schnittstellen mit den romanischen Sprachen, von denen ich drei in der Schule und im Studium gelernt habe. Nicht selten denke ich mir daher zynisch, ob ich nicht einfach einen Italiener oder Spanier hätte kennen lernen können. 🙂 Zum Glück findet man aber immer einen Weg, sich auch ohne Worte zu verständigen. Auch wenn man sprachlich so gar nicht auf einen Nenner kommt. Denn auch mit Englisch kam ich in Tschechien bislang nicht sehr weit.
Obwohl ich so wenig sagen und ausdrücken konnte, wurde ich von Lukas‘ Familie unheimlich herzlich aufgenommen. Und noch viel herzlicher angesprochen. So gab es bei meinem ersten Weihnachtsbesuch in Tschechien unterm Weihnachtsbaum auch ein Geschenk mit meinem Namen. Nicht so, wie ich ihn kenne. Aber so, wie man ihn in Tschechien in familiärer Umgebung sagt: Hanička. Und so fremd sich das im ersten Moment auch anhörte, so fühlte es sich zugleich sehr passend an. Als sollte es so sein. Grundsätzlich wird in der tschechischen Sprache sehr viel verniedlicht. Lukas ist zum Beispiel Lukášek bzw. Lukáško in der Slowakei. Ich sage ja, die Sprache ist nicht einfach.
Kommunikation in einer zweisprachigen Beziehung
Man muss nicht wie ich sämtliche Kommunikationsmodelle studiert haben um zu wissen, dass die zwischenmenschliche Kommunikation schwierig sein kann. So zu kommunizieren, dass das was man sagen möchte so auch beim Gegenüber ankommt. Gerade in Beziehungen wird viel falsch verstanden, falsch aufgenommen, und manchmal bestimmt auch anders gesagt als man beabsichtigt hat. Zwischenmenschliche Kommunikation ist nie einfach. Und immer mit viel Mühe verbunden.
In einer Beziehung, in der beide Partner zwei unterschiedliche Muttersprachen sprechen, und sich grundsätzlich auf einer dritten Sprache unterhalten, die weder der einen noch der anderen Muttersprache entspricht, wird die Kommunikationsproblematik noch einmal auf ein ganz neues Level gehoben. Kurzum: Lukas‘ Muttersprache ist Tschechisch bzw. Slowakisch. Meine ist Deutsch. Zusammen sprechen wir meistens Englisch. Zuhause im Siegerland sprechen wir aber auch ohne Probleme Deutsch miteinander. Dass wir Englisch sprechen liegt nicht etwa daran, dass Lukas nicht gut Deutsch spräche, sondern daran, dass wir uns im englischen Kontext kennengelernt haben und sich auch ein Großteil unseres Arbeitsalltags auf Englisch abspielt.
Anfangs hatte ich ehrlich gesagt schon Bedenken, wie das mit der Kommunikation in einer solchen Konstellation funktionieren soll. Mittlerweile glaube ich, dass genau diese Gegebenheit für uns eine wichtige Komponente ist, um die oben beschriebenen Kommunikationsprobleme zu vermeiden.
So sind es manchmal genau diese Sprachbarrieren, die die Kommunikation untereinander vereinfachen. Wo Muttersprachler sehr viel implizit und indirekt ausdrücken würden, sprechen wir sehr klar und direkt aus, was wir meinen. Weil ich genau weiß, dass er meine deutsche Ironie nicht immer verstehen würde und weil vieles ins Englische übersetzt nicht richtig rüberkommt. Das ist manchmal schade, weil ich gerne ironisch spreche, aber der Kommuniktation untereinander tut es gut. Da kann sich so manche Deutsch-Deutsche Beziehung bestimmt noch eine Scheibe abschneiden. Darin, sich in brenzlichen Situationen konkret auszudrücken und einfach zu beschreiben, wie man sich fühlt und was man erwartet. In Unternehmen heißt das heute gewaltfreie Kommunikation. In zweisprachigen Beziehungen ist das unumgänglich.
Der gemeinsame Fit hat selten etwas mit der Sprache zutun
Für mich wird der sprachliche Aspekt in unserer Beziehung mit der Zeit immer unwesentlicher. Weil ich merke, dass der gemeinsame „Fit“ und das „Mindset“ selten etwas damit zu tun haben, aus welchem Land, aus welcher Kultur wir kommen. Wie wir aufgewachsen sind. Welche Sprache wir sprechen. Dass „sich zu verstehen“ weniger mit der Sprache zu tun hat als mit der eigenen Persönlichkeit, den Wertvorstellungen und Zielen.
Nun bin ich schon einige Male mit in Tschechien und der Slowakei gewesen und verstehe immer ein bisschen mehr. Nicht nur über Lukas‘ Familie und Traditionen, sondern auch über ihn selber. Ähnlich wie er mich wahrscheinlich anders wahrnimmt, wenn ich zuhause in Siegen bin, merke ich, wie er sich innerlich entspannt, wenn er im Kreise seiner Familie seine Muttersprache sprechen kann. Es ist wichtig, auch diesen Kontext zu verstehen. Das schönste ist aber zu realisieren, wie wir zusammen aus all diesen sprachlichen und kulturellen Bausteinen unseren eigenen Kontext bilden. Bunt zusammen gewürfelt aus Erfahrungen, die wir bisher in unserem Leben gemacht haben. Und auch aus neuen Traditionen und Strukturen, die wir ganz ungezwungen so aufbauen, wie sie uns gefallen.
An alle die auch Erfahrung mit zweisprachigen Beziehungen gemacht haben: Kommentiert gerne mal eure Tipps in Sachen Kommunikation und unterschiedliche Traditionen. Ich würde mich freuen!