Ich denke es mir jedes Mal, wenn ich mit vollgepackten Taschen über der Schulter, auf dem Arm und in den Händen die Wohnung verlasse. Warum kann ich nicht einfach mal weniger mitnehmen? Nach gut anderthalb Jahren Fernbeziehung und Pendeln zwischen Köln und Bremen sollte ich doch wohl eines wissen: Was ich alles für ein Wochenende brauche. Und: Was eben auch alles nicht. Aber offen gesprochen ist es mir noch nie besonders leichtgefallen, mit wenig Gepäck zu reisen. Ein kleines Köfferchen zu packen, das ohne Mühe zu geht, nicht noch fünf zusätzliche Dinge in die Handtasche drücken zu müssen und trotzdem alles dabei zu haben, was ich brauche. Oder meine zu brauchen.
Dabei wäre ich so gerne jemand, der das kann. Sich auf das Nötigste beschränken, smart kombinieren, wohl überlegt auswählen – aber eben genau da liegt die Schwierigkeit: Ich glaube Minimalismus und Simplicity erfordern viel mehr Zeit, Mühe und Aufwand als alles in den Koffer zu werfen, was man vielleicht wollen würde. Und da schiele ich auf meinen Handgepäckskoffer, der schon für morgen bereitsteht und in den ich eben noch meine weiße Sommerjeans gepackt habe. Könnte ja sein. Trotz Januar. Trotz Regenwetter. Aber wenn das Verlangen nach der weißen Jeans im Januar kommt, dann bin ich vorbereitet. Dabei lautet die Devise: Lieber auf Nummer sicher gehen. Lieber zwei Stücke mehr einpacken, als eines zu vermissen. Nicht lange darüber nachdenken, einpacken und fertig. Weil ich mir auch einfach nicht vorstellen kann, Tage im Voraus zu planen, was ich wann anziehen möchte. Das kann ich weder im Urlaub, noch bei der Wochenendplanung.
Die Handtasche, der Kofferraum, der Handgepäckskoffer: Ständig gewappnet für den Fall der Fälle
Ähnlich wie im Koffer sieht es in meiner Handtasche aus. Oder in meinem Kofferraum. Auch hier bin ich für sämtliche Eventualitäten gewappnet. Ein zusätzliches Paar Schuhe. Die Jeansjacke – und zwar das ganze Jahr. Andererseits habe ich aber auch noch nie etwas vermisst, wenn ich abends mit einer kleinen Tasche weggegangen bin – nur mit Bargeld, Kreditkarte und Handy. Das passiert aber selten. In der Regel trage ich monatelang dieselbe Handtasche. Ein Wechsel erfordert nämlich immer auch einen Tausch des gesamten Inhaltes und schließlich … genau: Zeit und Mühe.
Minimalismus ist das neue „Abnehmen“ unter den Neujahrsvorsätzen
Trotzdem bleibe ich begeistert von dem Gedanken, grundsätzlich weniger dabei zu haben. Sei es im Koffer, in der Handtasche oder im Portemonnaie. Denn weniger ist mehr. Und Minimalismus macht frei und schafft Platz. Ist so elegant. Und erwachsen. Aufgeräumt. Ich glaube sogar Minimalismus ist das neue „Abnehmen“ unter den Neujahrsvorsätzen. Ist als Buzzword fast so groß wie das Wort Meditation. Und das ganz zurecht: das, was dahinter steckt, finde ich nämlich wie viele andere sehr erstrebenswert. Ich bin fest davon überzeugt, dass weniger mehr ist. Und dass es zum Wohlbefinden beiträgt, wenn man sich auf das Nötigste beschränkt. Vielleicht tricksen wir uns im Endeffekt damit auch nur selber aus. Suggerieren dem Kopf mit einer aufgeräumten Handtasche, dass auch unser Leben geordnet ist. Tricksen hin oder her: Solange das Gefühl gut ist, muss man es doch zumindest einmal ausprobieren, oder?
Herrlich naiv: Mit einem kleinen Portemonnaie einen ersten Schritt in Richtung Minimalismus gehen
Und so fange ich ganz klein an. Schritt für Schritt. Mit einem mini-kleinen Portemonnaie, das ich letzte Woche in den Händen hielt und dachte: „Challenge accepted.“ Ich weiß jetzt schon mit großer Sicherheit, dass dort nicht alle Karten reinpassen. Auch nicht das Kleingeld, das irgendwie in ein Portemonnaie gehört, aber dann doch nur sehr selten genutzt wird. Ich befürchte, dass ich sowieso mein großes, vollgepacktes Portemonnaie immer zusätzlich mitnehmen werde und so nichts weiter erreicht habe, als ein weiteres Teil in meiner Handtasche.
Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht lege ich damit auch den Minimalismus-Schalter im Kopf um und bin für den Rest des Jahres nur noch „leicht“ unterwegs.
Und das „vielleicht“ ist das, worauf es ankommt bei Neujahrsvorsätzen. Der naive Gedanke, dass etwas klappt, was vorher immer gescheitert ist. Der Mut, es trotzdem wieder zu machen. Und die Gewissheit: Ich kann es jeden Tag wieder versuchen.
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